Zusammenfassung
1. Nach Applikation größerer Dosen harter, filtrierter Röntgenstrahlen können gelegentlich
Monate bis 1œ Jahre nach Abschluß der Röntgenbehandlung Ulzerationen der Haut auftreten,
ohne daß Röntgenerytheme vorausgegangen sind und ohne daß die Haut atrophisch geworden
ist (echte Spätulzerationen).
2. Aeußere Reize und ungünstige Zirkulationsverhältnisse (Unterschenkel) begünstigen
das Auftreten der Spätulzerationen, bei deren Entstehung noch eine besondere Empfindlichkeit
des Gefäßsystems mitzuspielen scheint, da nach den gleichen Dosen an den gleichen
Körperstellen relativ selten Spätulzerationen beobachtet sind.
3. Diese echten Spätulzerationen sind nicht zu verwechseln mit den Ulzerationen, die
gelegentlich auch auf dem Boden einer nach Applikation unfiltrierter, mittelweicher
Strahlen entstandenen Hautatrophie nur durch Einwirkung äußerer Reize entstehen können.
4. Auch an inneren Organen, besonders am Magendarmtractus, sind Spätschädigungen nach
Applikation großer Dosen harter, filtrierter Strahlen möglich.
5. In der Röntgen-Tiefen-Therapie ist daher die Intensivbestrahlung im allgemeinen
zu verwerfen. Die Dosen sollen nicht größer gewählt werden, als für den gewünschten
Effekt unbedingt erforderlich ist, auch wenn dieser Effekt dann nicht so rasch erreicht
wird.
Nachtrag bei der Korrektur. In einer sehr interessanten Arbeit von Regaud und Nogier
in Bd. 2, H. 2 der „Strahlentherapie” wird die Behauptung aufgestellt, daß Spätschädigungen
im Sinne von Spéder und Iselin nur nach der Applikation ungenügend filtrierter Strahlen
auftreten, niemals aber nach Anwendung eines 3—4 mm dicken Aluminiumfilters.
Die „stark gefilterten” Strahlen sollen andere biologische Wirkungen und andere Reaktionsformen
hervorrufen als die „nicht gefilterten” oder „schwach gefilterten” Strahlen. Recht
überzeugend sind die Ausführungen von Regaud und Nogier eigentlich nicht. Sie haben
auch nach Applikation „stark gefilterter” Strahlen Erytheme und auch nässende Dermatitiden
gesehen. Letztere bezeichnen sie als „Epidermitiden”, also als eine ganz neue Reaktionsform,
weil sie bisher keine Atrophie gesehen haben. Die Beobachtungszeit ist aber meines
Erachtens in den mitgeteilten Fällen noch zu kurz; die Atrophie könnte immer noch
kommen. Auch nach nässenden Dermititiden, die durch ungefilterte Strahlen hervorgerufen
sind, sieht ja die Haut zunächst normal aus, die Atrophie entwickelt sich auch hier
erst später, sie kann erst nach Monaten oder nach Jahren in Erscheinung treten.
Sicher ist jedenfalls, daß wir nach Applikation ungefilterter Strahlen Spätulzerationen,
die aus heiler Haut heraus entstehen, wie das Iselin gelegentlich nach größeren Dosen
durch 1 mm dickes Aluminium gefilterter Strahlen beobachtet hat, nicht kennen. Und
Iselin schließt gerade daraus, daß mit der Härtung der Strahlen die Gefahr der Spätschädigungen
wächst, weil eine Läsion der tiefen Hautgefäße um so eher möglich ist, je tiefer die
Strahlen dringen. Nach dieser durchaus plausiblen Annahme müßte man gerade bei dickeren
Filtern Spätschädigungen noch mehr fürchten, vorausgesetzt, daß man entsprechende
Dosen zur Absorption bringt.